Der Hl. Clemens von Kaldenkirchen
Nach dem „heiligen St. Martin“ feiert man in Kaldenkirchen noch vor dem 1. Advent das Clemensfest, den „Namenstag“ unseres Pfarrpatrons, dem Hl. Clemens. Er ist nicht nur für die katholische Pfarre St. Clemens zuständig, sondern, wie das Wappen von Kaldenkirchen deutlich zeigt, seit über 800 Jahren (wahrscheinlich schon viel länger) für die ganze „Stadt“.
Auf ihren „Clemens“ lassen die Kaldenkirchener nichts kommen. Er hat ihnen über all die Jahrhunderte zur Seite gestanden und sie beschützt, besonders dann, wenn der Ort wegen seiner Grenzlage immer und immer wieder in kriegerische Auseinandersetzungen hineingezogen wurde. Aber auch bei Seuchen, die in vielen Jahrhunderten fast regelmäßig auftraten, haben sich die Menschen an ihn gewandt, bis heute, davon erzählen die vielen, vielen Kerzen, die in den vergangenen Monaten tagtäglich in unserer Kirche angezündet wurden.
Es ist schon eine besondere Beziehung, die die Kaldenkirchener zu ihrem Hl. Clemens, den mit dem Anker, haben. Sie halten auch in einer Ze it an ihm fest, in der ansonsten die Anbindung zur Kirche immer weniger Bedeutung hat. Davon erzählt auch der „Grundstein“ im Altarraum unserer Clemenskirche. Als die Kirche Ende des 19. Jahrhunderts umgebaut und erweitert wurde, hat man aus der antiken Clemenskirche in Rom diesen Stein nach Kaldenkirchen geschafft, um so eine Verbindung zum Ursprung unserer Glaubensgeschichte und zum Hl. Clemens deutlich zu machen.
Deshalb ist die uralte Kirche „San Clemente“ in Rom, etwa 500 m vom Colosseum Richtung Lateran gelegen, immer ein „Muss“ für eine Besichtigung, wenn ich in den letzten Jahren mit einer Gruppe aus Kaldenkirchen oder auch mit der Familie Rom besucht habe. Über die Via Imperiali am Forum Romanum vorbei, dann um das Colosseum herum mit all den Massen von Touristen davor, kommt man in eine ruhige Straße, übrigens mit einigen hervorragenden, kleinen Pizzerien, die von unten (Colosseum) zum Lateran heraufführt.
Wenn man es nicht weiß, ist man schon an dieser unscheinbaren Kirche vorbei gelaufen, die ohne großen Touristenauflauf direkt am Straßenrand liegt versteckt hinter ein paar Bäumen – aber mit einer der schon erwähnten, kleinen Pizzeria und einer Eisdiele direkt gegenüber. Das ist wichtig, denn wenn man zur „Mittagspause“ dorthin kommt, kann man die Wartezeit mit Pizza und Eis im Schatten der Bäume vor der Kirche gut überbrücken. Siesta in Roms Mittagshitze!
Die Kirche San Clemente betritt man über eine unscheinbare Seitentür, (hier kein Eintritt!). Sie besteht aus einem alten, wunderschönen Kirchenraum und einem sehr stillen, kühlen Innenhof, eigentlich der Vorhof, mit Brunnen, der einen in der Hektik Roms durchatmen lässt. Das Kirchenschiff im Innern wirkt auf den ersten Blick etwas fremd, weil sie anders ausgestaltet ist wie viele andere Kirchen Roms. Da fällt als Erstes die herrliche, goldglänzende Decke im Kirchenschiff und in der Apsis über dem Altar auf. Es gibt eine Fülle von herrlichen Wandmalereien und Statuen im gesamten Kirchenraum aus den verschiedensten Epochen. Was besonders auffällt, ist ein erhöhter Bereich, der von der Apsis weit in das Kirchenschiff hineinreicht. Zudem wird auch deutlich, dass diese Kirche heute auch den Missioneren des europäischen Ostens, Methodius und Cyrill geweiht ist, deshalb auch seit vielen Jahren als Gotteshaus für die orthodoxen Christen in Rom genutzt wird. Jeder spürt an diesem Ort das Alter der Basilika, die im 12. Jahrhundert errichtet wurde auf den Mauern einer viel älteren „Clemenskirche“:
Das Geheimnis von „San Clemente“ erschließt sich nämlich erst, wenn man in den Untergrund hinabsteigt, -dafür muss man allerdings in die Tasche greifen-. Dazu verlässt man den Kirchenraum über den Zugang, der früher allein den Mönchen des dazu gehörenden Klosters zugedacht war. Zweimal geht es abwärts und jedes Mal betritt man eine andere Welt, eine andere Epoche der langen Geschichte Roms, der Geschichte des Christentums und des Glaubenslebens der Menschen. (Auch darunter sind noch Reste einer Bebauung gefunden worden, die aber nicht zugänglich sind.)
Das erste unterirdische Stockwerk, quasi das Fundament der heutigen Kirche, bildet eine ältere Clemenskirche aus dem 4. Jahrhundert, in der der Hl. Clemens in Rom schon lange verehrt wurde. Der gesamte Kirchenraum ist frei gelegt und dort befinden sich noch zahlreiche uralte Reste der Wandbemalung und andere wertvolle Funde früher christlicher Frömmigkeit und Kunst. Neben dem großen Innenraum geht man durch die Seitengänge, die Seitenschiffe quasi auf dem Niveau der Straßen des 4. Jhdt. nach Christus.
Von dort geht es auch weiter abwärts, auf das Niveau und die Geschichte des 1. Christlichen Jahrhunderts, in die Welt vor 2000 Jahren, auf Wege, Fundamente und direkt in die Häuser des alten Rom. Überall hört man es gluckern und plätschern. Wasser, wie es vor 2000 Jahren über die römischen Wasserleitungen in die Stadt geleitet wurde, läuft nach wie vor neben den Wegen in die Wohnungen/ Wohnblocks, die an dieser Straße lagen. Und dann kommt die größte Überraschung. In einem der Wohnblocks, der römischen Insulae, trifft man auf einen Kultraum aus der Zeit Jesu, der dem persischen Sonnengott Mithras geweiht war. Dazu müsste an dieser Stelle sicherlich weitere Erklärungen folgen, aber das würde den Rahmen sprengen.
Es reicht, glaube ich, von dem Staunen und den überwältigenden Eindrücken zu berichten, die einen an diesem Ort überkommen. Da stehst du da, einige Meter unter der Erde und spürst eine direkte Verbindung von den Menschen in Rom vor 2000 Jahren zu Dir selbst und über die Jahrhunderte hinweg bis nach Kaldenkirchen von heute. Hier wie dort, damals wie heute haben die Menschen nach dem Licht gesucht, besonders in den dunklen Zeiten, sich festgehalten und verbunden durch den Glauben an einen Gott, der das Licht in ihr Leben bringt. Für die vielen, vielen einfachen Leute im Imperium Romanum war das die strahlende Sonnengottheit Mithras. Für uns Christen, beginnend mit der Geburt Jesu, ist er bis heute zum Licht der Welt geworden. Der Glaube an ihn wurde durch Menschen wie den Hl. Clemens, den 2. Nachfolger von Petrus als Bischof von Rom, an uns durch die Generationen weiter gegeben. Er sagt uns und zeigt uns: Jesus ist das Licht! Er ist für uns alle, die mit ihm im Boot sind, der Rettungsanker, den uns „unser Clemens“ anbietet.
So entsteht in San Clemente eine faszinierende Verbindung, die bis in unsere Kirche „Sankt Clemens“ reicht. Sollten Sie als Kaldenkirchener mal nach Rom kommen, vergessen Sie den Besuch von „San Clemente“ nicht. Die Ruhe und Besinnlichkeit der derzeit oberirdischen Kirche und die Entdeckungen unter der Erde führen Sie in eine geheimnisvolle Welt und verbinden Sie unmittelbar mit der Geschichte über Jahrhunderte hinweg bis zu uns, zu unseren Kinder, Familien, in unsere Welt im „kleinen Kaldenkirchen“.
Und wenn Sie, gerade in den dunklen Tagen des November und der „schlimmen“ Zeit, die wir gerade erleben, in unsere Clemenskirche kommen, dort vorbei kommen, dann zünden sie dort ein Licht an, ein Licht als Bitte für Frieden, Gesundheit, für unsere Gemeinschaft, ein Licht der Liebe und des Vertrauens, ein Licht für alle, für jeden, der von den Ängsten und Sorgen dieser Tage bedrängt wird.
(BM 28.10. / 01.11.2020)