Zum Auftakt der Kaldenkirchener Kulturwoche „Grenzgold“ fand am Abend des 07.07.2018 wieder ein Jugendgottesdienst in St. Clemens statt.
Der Gottesdienst begann draußen auf dem Kirchplatz, wo wir mit Kreide verschiedene Begriffspaare auf den Boden geschrieben hatten, die jeweils durch eine dicke Linie voneinander getrennt waren. Jeder sollte sich einen Platz innerhalb eines solchen Segments suchen und sich dorthin stellen, womit er sich am meisten identifizieren konnte.
Die Einordnung war nicht gerade einfach: Fromm oder Heuchler? – Gebe ich offen zu, dass ich ein Heuchler bin? Hier, vor allen anderen? Wohl kaum.
Freund oder Feind? – Ich hab zwar Freunde und bin für diese (wohl) auch ein Freund, aber bin ich nicht auch jemandes Feind?
Arm oder reich? – Genauso bin ich nicht unbedingt arm, aber wirklich reich bin ich auch nicht….
Beliebt oder Außenseiter? – Wer ist schon gerne ein Außenseiter?
Auf einmal war man gefangen in einem der Felder, getrennt von den anderen durch eine dicke Linie, die eine Grenze symbolisieren sollte, einen Stacheldrahtzaun, eine Mauer, eine Schranke, einen breiten Graben, ein unüberwindbares Hindernis.
Das sind wir, das ist unsere Gesellschaft – eingeengt in unsere Zwänge, in unsere Regeln, die Grenzen aufbauen und dann plötzlich unüberwindbar sind.
Warum hat sich keiner in die Mitte gestellt?
Wo man sich weder als arm noch als reich bezeichnen muss? Wo man nicht zeigen muss, dass man stellenweise eigentlich doch Außenseiter ist? Wo man nicht heuchlerisch vorgibt, der Freund zu sein, obwohl man selbst auch Feind zu jemandem war und auch wieder sein wird?
Diese Fragen zeigen gut, wie schwer es ist, sich in unserer Gesellschaft zu positionieren und wirklich sagen zu können: Das bin ich!
Die Gottesdienstbesucher waren nun eingeladen, sich gemeinsam mit uns auf den Weg zu machen. Durch das Hauptportal gelangten alle durch einen „Engpass“ aus aufgestellten Wänden, die eine Grenze darstellten, in die Kirche. Dort sollten sie in den vorderen Bänken Platz nehmen, alle anderen Bänke waren abgesperrt – ein weiteres Hindernis.
Vor dem Altar hatten wir eine Mauer aus großen Holzquadern aufgebaut, die mit verschiedensten Grenz-Begriffen beklebt waren. Abwechselnd mit passenden Liedern und auch einem kleinen Filmausschnitt, sollte diese Mauer Stück für Stück eingerissen werden. Denn: Wer die Grenzen akzeptiert, der ist grenzenlos beschränkt! So ein Zitat aus dem Lied „Grenzenlos“ von Sido.
Es galt gemeinsam die Grenzen zu überwinden, und all denen Achtung und Respekt entgegen zu bringen, die gemobbt und ausgegrenzt werden. Genauso sind Familie, Freundschaft und Verständnis gute Mittel gegen Neid, Eifersucht und Hass.
Stück für Stück wurde die Mauer eingerissen und auf der Rückseite der Steine wurden die Begriffe sichtbar, deren Umsetzung wir uns zu Herzen nehmen sollen. Flucht, Verfolgung und Angst können wir nur mit Vertrauen, Mut und Hoffnung begegnen. Vertrauen in das Gute im Menschen. Mut, anderen meine Hand hinzuhalten. Hoffnung, die Grenze eines Tages zu überwinden.
Dieses Vertrauen, diesen Mut, diese Hoffnung, schenkt Gott uns.
Und so konnten wir unsere Bitten vor Gott tragen:
Ein weiter Blick ist großartig, wenn man dabei seinen Nächsten nicht übersieht.
Guter Gott, wir bitten dich, erinnere uns immer wieder daran, dass wir unsere Mitmenschen nicht vergessen, sondern auf sie zugehen.
Auch wenn du tausend gute Seiten hast, deine schlechten werden immer zuerst beachtet.
Guter Gott, hilf uns dabei, ohne Vorurteile auf andere zuzugehen und die guten Seiten unserer Mitmenschen in den Vordergrund zu stellen.
Du bist verantwortlich für alles, was du tust – genauso wie für das, was du nicht getan hast.
Guter Gott, gib uns die Kraft, im richtigen Moment für das einzustehen, woran wir glauben.
Ein Mantel aus Dornen schützt vor Angriffen, aber auch vor Umarmungen.
Guter Gott, hilf uns, den Mantel aus Dornen sowohl vor unseren Mitmenschen als auch vor dir abzulegen.
Je weiter ich mich von meinem Nächsten entferne, umso weiter ist auch sein Weg zu mir.
Guter Gott, hilf uns, die Wege zueinander zu überbrücken und uns nicht zu isolieren.
Mit vielen eindrucksvollen Bildern, Liedern und Texten ging wieder ein Gottesdienst zu Ende, der in vielerlei Hinsicht zum Nachdenken angeregt hat und uns mit dem ein oder anderen Gedanken in der folgenden Grenzgold-Woche begleiten wird.
Stephanie Rennen
Junge Kirche St. Clemens Kaldenkirchen