Man konnte es durch unseren Flyer anhand der dort abgebildeten Spielfiguren schon erraten: In diesem Gottesdienst sollte ein Spiel gespielt werden, nämlich Mensch-ärger-dich-nicht mit echten, lebenden Menschen. Dazu hatten wir im Conventgarten Reifen ausgelegt, die mit Start- und Ziel-Häuschen ein komplettes Mensch-ärger-dich-nicht-Feld ergaben. Einige der Jugendlichen wurden dann in vier Teams eingeteilt – Blau, Rot, Grün, Gelb – und sollten miteinander Mensch-ärger-dich-nicht spielen.
Ratlos stellten sich die Gottesdienstbesucher dieselbe Frage wie auch wir in unseren Vorbereitungstreffen: Wie soll man denn einen Gottesdienst gestalten, wenn der gesamte Ablauf von einem kleinen Würfel und seinen Augenzahlen abhängt?
Und auch einige Probeläufe zeigten schnell: Das Spiel ist durch den Würfel und seinen Zufall jedes Mal anders. Zu unterschiedlich, um daraus gleichzeitig einen Gottesdienst zu gestalten, der auch noch einen roten Faden hat. Nach einigem Überlegen haben wir dann zusätzlich „Ereigniskarten“ eingebaut, die in einer festgelegten Reihenfolge gezogen wurden. So konnten wir Lieder „einbauen“, eine Lesung, das Evangelium und weitere Punkte, die in einem Gottesdienst einfach nicht fehlen dürfen.
Immer wieder wurden kleinere Texte vorgetragen, die im Mikrokosmos Mensch-ärger-dich-nicht eine Situation aufzeigten, der bestimmt schon jeder in seinem Leben begegnet ist: Man eilt voraus, man bildet Grüppchen, nähert sich wieder einander an, wird dann doch überholt, holt selbst wieder auf – und plötzlich fliegt man raus.
Das haben einige der Spieler erfahren müssen: Plötzlich allein, ausgestoßen, von den anderen im Stich gelassen. Wenn man rausfliegt, ist es schwer, einfach nur zu sagen: „Mensch, jetzt ärger dich doch nicht!“ Kann man das so leicht wegstecken, wenn man zurückbleibt, wenn man ausgegrenzt wird?
Und auch der Sieger musste am Ende feststellen, dass niemand da war, um ihm zu gratulieren. Die anderen hatte er unterwegs auf der Strecke gelassen. Am Ende gewinnt nur einer und drei Viertel der Teams verlieren. Das ist eine schlechte Quote. Aber man kann nicht einfach sagen: Es haben halt einfach alle gewonnen! So einfach ist das nicht. Es können nicht immer alle Sieger sein.
Aber derjenige, der jetzt da oben steht, der „Sieger“, warum kann er nicht seine Hand nach unten ausstrecken und demjenigen hoch helfen, der unten steht? Er kann es nicht nur, er muss es sogar. Es ist die Pflicht eines Christen. Sind wir als Deutsche, als Europäer, als Teil dieser Welt nicht genau diese Sieger, die jetzt verpflichtet sind, ihre Hände auszustrecken zu denen, um die Mauern gebaut werden, die hungern müssen, die vertrieben werden?
Auch Jesus fordert uns auf, das zu hinterfragen, was wir selbst als „Regel“ aufgestellt haben. Es muss nicht immer alles so bleiben, wie es immer war, wenn es doch eine Regel ist, die zu nichts führt, die uns selbst nur einengt und eingrenzt. Wir müssen hinterfragen und kritisch sein, besonders in dieser Zeit, in der immer wieder der Versuch unternommen wird, Regeln aufzustellen, die Menschen verachten, die diskriminieren und ausgrenzen.
Es war ein Gottesdienst, in dem in vielfältigster Weise Gedanken aufgeworfen wurden, die damit zu tun haben, wie Gemeinschaft funktionieren kann. Gemeinschaft wird uns von Gott geschenkt, wir dürfen sie nicht mit Füßen treten. Es kann nicht funktionieren, wenn sich jeder nur auf „seins“ fixiert.
„Kümmer dich doch auch um die anderen und du wirst sehen, so können wir die Aufgabe lösen!“
Am Ende gab es noch Getränke für alle und es wurden Pläne geschmiedet, diesen Gottesdienst, der so abwechslungsreich und aufwendig war, noch einmal gemeinsam zu feiern …
Also macht euch bereit auf eine neue Runde, wenn es wieder heißt: Mensch, ärger dich nicht!
Stephanie Rennen
Junge Kirche St. Clemens Kaldenkirchen